Montag, 31. Januar 2011

30 Jahre LTTE - und jetzt?


Gruppendiskussion im Rahmen des Workshops

Aufgrund des glücklichen Umstands, dass der Direktor meiner Partnerorganisation Human Wave hier in Mankundu (Westbengalen, Indien), Tapas Sur, gleichzeitig auch aktiv im indischen Zweig des SCI mitwirkt, bekamen Kiera und ich die Gelegenheit, Mitte Dezember nach Sri Lanka zu reisen. Nicht etwa, um auf dieser wunderschönen Insel von etwa der Größe Bayerns Entspannung vom mal mehr, mal weniger stressigen Alltag in unserem Projekt zu finden oder unserem SCI- LTV- Genossen Johannes einen Besuch abzustatten, sondern um an einem internationalen Workshop teilzunehmen. Der SCI Sri Lanka hatte anlässlich seines 50. Geburtstags geladen, um sich eine Woche lang intensiver mit Ursachen, (Hinter-) Gründen und Folgen des bewaffneten Konflikts zwischen LTTE (Liberation Tigers Tamil Eelam) und Regierung auseinanderzusetzen. TeilnehmerInnen aus Indien, Malaysia, verschiedenen Teilen Sri Lankas und wir diskutierten vom 12. bis 18. Dezember die Auswirkungen eines Konfliktes, der ein Land in viele Lager gespalten hat, und potentielle SCI- Einsatzfelder, nachdem die Gewalt letztendlich doch ein Ende gefunden zu haben scheint.

Da ich in diesem Bericht nicht noch einmal explizit auf die Geschichte des Konfliktes selbst eingehen werde, will ich zum Beispiel auf die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung verweisen, um das Wissen bezüglich der jüngsten Geschichte Sri Lankas etwas aufzufrischen bzw. zu erweitern. Es gibt aber auch tausende andere Quellen zum Thema, also bei Interesse am besten einfach drauflos googlen, es lässt sich einiges finden.

Bevor das eigentliche Seminar losging, gab es eine größere SCI- Geburtstagsfeier in Kandy, um sowohl den 50. des nationalen Zweigs, als auch den 90. Jahrestag des SCIs an sich zu zelebrieren. In seiner Aufmachung erinnerte diese Veranstaltung zwar eher an eine internationale Geschäftskonferenz, doch leckeres Essen und einige nette Redebeiträge machten die der Feier anhaftende Förmlich- und Steifigkeit doch recht erträglich.
Der Workshop selbst bestand dann aus Einheiten zu verschiedenen Themen wie etwa „Human Rights and women’s role in peace making“, „geopolitical constraints and enablers in reconciliation of conflicts in modern world“ oder „language issue in reconciliation process“, somit ergab sich der konkrete Bezug zum Sri Lankanischen Konflikt nicht immer von selbst, sondern musste oft erst hergestellt werden. Mehrere Professoren der Universität Peradeniya gaben einleitende Vorträge, auf denen die Diskussionen innerhalb der Gruppe dann aufbauten. Schnell wurde ersichtlich, dass es auch auf Seiten der Friedensaktivisten und Akademiker keinen Konsens hinsichtlich der Schuldfrage oder anderen kontroversen Punkten gibt. So beharrte Prof. Hennayake beispielsweise vehement darauf, dem Konflikt keine ethnische Dimension einzuräumen, sondern ihn einzig als politisches Machtspiel zwischen mächtigen Parteien (Regierung und LTTE) zu sehen, welche die Bürger des Landes für ihre Zwecke instrumentalisierten. Diese, in den Augen vieler ausgesprochen reduzierte Sicht sorgte dann auch für einigen Unmut unter den Teilnehmern des Workshops, heizte aber auf der anderen Seite auch die Debatten an, was ich persönlich als ausgesprochen angenehm empfand.
Außerdem sahen wir uns den Film „Hotel Rwanda“ an, um auch einmal Vergleiche zu anderen Konflikten mit ethnischen Hintergründen zu ziehen und aber auch Unterschiede zu erkennen.
Abschließend stand ein Besuch zweitägiger Besuch der Region Mutur im Osten des Landes an, in der die LTTE eine ihrer Machtbasen hatte und die dementsprechend stark unter den Auswirkungen des bewaffneten Kampfes zu leiden hat(te). Im Gespräch mit Dorfbewohnern wurde mir noch einmal besonders klar, dass man von generalisierenden Einordnungen des Konfliktes ablassen sollte. Die Wahrnehmung der Ereignisse unterscheidet sich teilweise so gravierend, dass eine kompakte Einschätzung der Situation in meinen Augen unmöglich wird, zumindest ausgehend von den mir zugänglichen Informationen. Beispielsweise berichteten tamilische und muslimische Einwohner des Dorfes von friedlichem und harmonischem Zusammenleben über Jahrzehnte, auch während der Kämpfe, und machten eher die Schwarzweißsicht der Regierung und der LTTE für die Gewaltexzesse verantwortlich, während Professor Nandakumar sehr einleuchtend die Sprachproblematik im Land und diskriminierende Akte gegen tamilische Bevölkerungsteile herausstellte.

Gespräch mit den Köpfen einer Dorfgemeinde in Mutur

Mal ganz abgesehen von den „fachlichen“ Problemen, die sich aus Vorträgen und Gesprächen ergaben, will ich aber auch einmal zu Protokoll geben, dass unter den WorkshopteilnehmerInnen ein wunderbar freundliches Klima herrschte und ich viele nette Bekanntschaften machen durfte, auch wenn ich selbst am letzten Tag noch nicht alle Namen auswendig konnte.

Um einen ausgewogenen Eindruck des Workshops zu vermitteln, soll am Ende nun auch noch etwas Kritik erscheinen. Leider hemmten Sprachbarrieren die Intensität der Diskussionen teilweise recht erheblich, was die tolle Erfahrung in meinen Augen aber trotzdem nicht abmilderte. Ich fand es unglaublich interessant, einmal zu sehen, wie ein SCI- Seminar außerhalb Deutschlands aussehen kann und zu erkennen, dass es teils wirklich große Unterschiede in der Umsetzung eines solchen Events auch innerhalb von SCI- Kreisen gibt. Alles lief ein ganzes Stück autoritärer ab, was natürlich legitim ist. Nur hatte ich den Eindruck, dass viele der jungen TeilnehmerInnen sich manchmal etwas schwer taten, ihre Ansichten im Rahmen der Gruppendiskussionen zu teilen, obwohl diese sich dann in persönlichen Gesprächen als wirklich interessante und wichtige Beiträge entpuppten. Auf der anderen Seite blieben die Beiträge der älteren SCI- Delegierten oft unkritisiert stehen und auch abseits der offiziellen Einheiten hatte ich den Eindruck, dass die „Alten“ lieber unter sich blieben, was ich etwas schade fand. Diese andere Form von Diskussionskultur muss man natürlich auch abstrahiert als Produkt kultureller Normen und sozialer Strukturen sehen, dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Trotzdem war das für mich persönlich manchmal etwas eigenartig, gleichzeitig aber auch interessant zu sehen, dass in vielen Teilen der Welt im Vergleich zu bestimmten Kreisen in Westeuropa, oder was man auch immer als Referenz heranziehen will, eher patriarchalische Strukturen herrschen, ist ja auch kein Geheimnis. Meiner Meinung nach macht es aber einen sehr großen Unterschied, ob man sich nur distanziert gedanklich damit beschäftigt oder wirklich „drinsteckt“, d.h. es als Lebenswirklichkeit wahrnimmt und die Akteure als in Interaktion mit einem selbst stehenden Subjekte erkennt. Dann nämlich, finde ich, verliert man einen möglicherweise immerzu (ab-) wertenden Blick auf manche Eigenarten einer „fremden“ Kultur.
Aber nun auch wieder zurück zum eigentlichen Thema.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir der Workshop sehr gut gefallen hat, vor allen Dingen hinsichtlich der Organisation, da lief es in meinem Workcamp im Sommer 2010 doch oft etwas chaotischer ab. Vielleicht weiß ich jetzt auch mehr über den Konflikt in Sri Lanka; in erster Linie aber bin ich mir darüber bewusst geworden, dass man sich davor hüten sollte, zu feste Meinungen bezüglich so komplexer Themen wie ethnischer Konflikte anzunehmen, wenn man gerade einmal zwei, drei gegensätzliche Darstellungen dazu gelesen haben sollte. Denn so ging es mir und jetzt wäre ich deutlich vorsichtiger in meinem Urteil über das Vorgefallene in Sri Lanka und mögliche Lösungsansätze. Als ein Produkt des Workshops kann ich am Ende aber festhalten, dass man sich eben aufgrund der Komplexität des Themas lieber auf lokaler Ebene („grass root level“) engagieren sollte und mögliche Workcamps in den vom Konflikt besonders betroffenen Regionen zum Wiederaufbau und zur Unterstützung gemeinsamer Initiativen zwischen Singhalesen und Tamilen hören sich doch auch nach etwas an!

Bilder gibt's unter:

http://picasaweb.google.com/placement.scisl/WorkshopChallengesOfPeacemaking#

Grüße aus Mankundu, Hooghly, West Bengal, India,

Richard

Sonntag, 30. Januar 2011

'aste, aste!'


Tägliches Treiben in Adarshanagore

... denke ich mir manchmal, wenn es hier auf einmal so viel zu tun gibt, dass man gar nicht weiß, wo man denn anfangen soll. Das letzte Viertel des indischen Geschäftsjahres (April - März) ist angebrochen und wenn man sonst den Eindruck haben sollte, dass hier selbst Großprojekte eher mit gemächlicher Gelassenheit angegangen werden, so überschlagen sich jetzt die Ereignisse.

Mein ursprünglicher Plan, dem Rest der Welt aller zwei Wochen Einblicke in mein Leben zu ermöglichen, erweist sich nun doch als weniger leicht zu verwirklichen. Nicht etwa, weil es nichts zu erzählen gibt oder ich keine Zeit dazu finde. Eher wohl aber, weil ich hier mittlerweile, nun ja, ein normales Leben führe mit allen Licht- und Schattenseiten und mein Mitteilungsbedürfnis damit verbunden geschrumpft ist. Während ich in der ersten Zeit noch ganz gespannt darauf war, wie die Reaktionen auf meine Beiträge wohl sein würden, ich somit noch mit einem halben Bein in meinem “alten“ Leben stand, ist mir der Elan und das Interesse diesbezüglich ein wenig abhanden gekommen. Mit ist aber auch klar, dass diese Rechtfertigung nur auf persönlichen Befindlichkeiten beruht und ich mich nun deswegen doch mal wieder aufgerappelt habe, um ein wenig zu davon zu erzählen, was in meinem Leben so vorgefallen ist.
Mein letzter Eintrag ist auch schon wieder zwei Monate alt. Um biographische Aufarbeitung will ich mich nicht kümmern, ein paar Ereignisse sollten aber doch erwähnt werden.

Grundsätzlich war meine Zeit seit meinem letzten Eintrag bis Ende 2010 geprägt von Vorbereitungen auf unsere Reise nach Sri Lanka. Kiera, Tapas, Mimi, Ria (College-Freundin Mimis) und ich hatten uns dazu entschlossen, an den Festlichkeiten anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Sri Lankanischen SCI-Zweigs teilzunehmen. Anschließend daran sollte ein einwöchiger Workshop zum Thema “challenges of peace making in Sri Lankan context“ stattfinden. Ein ausführlicher Bericht dazu im zweiten Eintrag.
Doch bevor es losging, galt es eine Hürde zu bewältigen, die einiges an Zeit, Mühen und Nerven kostete: die Registrierung bei den lokalen Behörden. Ist auf unseren Visa eindeutig vermerkt, dass für längere Aufenthalte als 180 Tage eine Anmeldung im lokalen Foreigner’s Regional Registration Office vorzunehmen ist, so nahmen wir das Ganze wie die Freiwilligen vor uns etwas lockerer. Als wir jedoch von Joannas Problemen bei der Ausreise hörten, war dann doch etwas Initiative gefragt. Unsere Verspätung sollte den Prozess ewig in die Länge ziehen und uns tiefgehende Erfahrungen mit indischer Bürokratie einbringen. Um es kurz zu fassen, nach ca. 40-50 Stunden Herumpilgern zwischen verschiedenen Stellen, unter anderem einem Büro im imposanten Writer’s Building in Kolkata (Zentralverwaltungsapparat Indiens in den Hauptstadtzeiten Kolkatas bis 1913) und angenehmen, teils weniger angenehmen Diskussionen mit den zuständigen bzw. dann doch nicht zuständigen Officers, die mitunter mehr an meinem Wissen über die deutsche Fußballgeschichte („Beckenbauer...!“) als an meinem Anliegen interessiert waren, konnten wir letztendlich am Tag vor unserer geplanten Abreise unsere Registrierungen stolz in unseren Händen halten.

Außerdem organisierte Human Wave eine Feier in Gedenken an Rabindranath Tagores 150. Geburtstag. Mit verschieden Reden, Musik, Tanz und Gesang wurde dem Mann gehuldigt, der indische Literatur weltweit bekannt machte und dafür 1913 den Nobelpreis zum ersten Mal auf den Subkontinent brachte. Unser Beitrag zur Feier war die Rezitation eines seiner berühmtesten Gedichte “Where The Mind Is Without Fear“ auf Deutsch, Englisch und Bengali.

Die winterliche Kälte scheint vorerst überwunden, angeblich wurden in den letzten Wochen die niedrigsten Temperaturen seit 18 Jahren gemessen. Trotzdem geht es mir gut, ich fühle mich außerordentlich wohl, auch ohne Glühwein. Unser Aufgabenbereich ist erweitert worden, neben unserer Lehrertätigkeit sind wir für das Einsammeln und die Verarbeitung der monatlichen Berichte aller Human- Wave- Projekte in Vorbereitung des Jahresberichts zuständig. Außerdem bin ich tatsächlich auch wieder sportlich aktiv. Mit ein paar Kumpels hier treffe ich mich fast täglich auf einem Bolzplatz nahe meines Projekts. Gestern allerdings setzte es eine vernichtende 1:5 Niederlage gegen die Kollegen einer anderen Ecke Mankundus. Zudem habe ich in Adarshangore eine Art Volleyball-AG ins Leben gerufen, die sich aber noch auf der Suche nach regelmäßigen Trainingszeiten befindet.

Über Langeweile kann ich mich zusammenfassend also nicht beschweren, einiges (Workshop zum Klimawandel, Feierlichkeiten anlässlich des Republic Day) lasse ich sogar aus, um das Ganze hier auch lesbar zu halten.


Human Wave staff meeting


Mehr Bilder lassen sich unter

http://picasaweb.google.com/richard.mankundu

finden.


Schönen Gruß,

Richard

Dienstag, 2. November 2010

please allow me to introduce... the family


Nun wird es doch auch langsam einmal Zeit, dass ich die Menschen vorstelle, die bis jetzt unsere ersten Ansprechpartner sind und mit denen wir die meiste Zeit verbringen.

Zuvor will ich noch kurz festhalten, dass ich nicht viel zu klagen habe, mich die meiste Zeit recht wohl fühle und die Eingewöhnungsphase zu einem Großteil abgeschlossen ist, wobei es hier trotzdem fast täglich Neues zu entdecken gibt. Auch bin ich noch nicht wirklich in der Lage gewesen, das Geschehene zu reflektieren, doch grundsätzlich bin ich guter Dinge, was den weiteren Verlauf meiner Zeit hier angeht. Das Leben hier läuft anders, die Menschen ticken anders, ohne jetzt (zu einem späteren Zeitpunkt gerne ausführlich) groß die indische Mentalität, kulturelle Besonderheiten oder soziale Strukturen thematisieren zu wollen. Ich versuche, so viel wie möglich aufzunehmen und zu beobachten, was gerade in einem immer gewohnteren Umfeld teilweise nicht so leicht ist. Mein langfristiges Ziel ist es aber, einen möglichst vielseitigen und tiefgehenden Eindruck der indischen Gesellschaft und Kultur zu erlangen, was nur durch ein wirkliches Eintauchen in die Strukturen zu erreichen ist und ich sehe mich da auf einem ganz guten Weg.

Am meisten lernt man durch die Personen im nahen Umfeld, um einen kleinen Bogen zurück zu meinem eigentlichen Thema zu schlagen. Die Familie des Direktors unserer Organisation, Tapas Kumar Sur, hat sich für mich schon in gewissem Maße zu einer Art „Ersatzfamilie“ entwickelt, mit der wir schon einiges unternommen haben und mit der wir in täglichem Kontakt stehen. Von Anfang an jemanden zu haben, der sich um einen kümmert und sorgt, macht es sicherlich leichter, einen guten Einstieg zu finden.

Um einmal konkreter zu werden, gibt es da:


Tapas, unseren „Chef“, der sich von Anfang an viel Zeit für uns genommen hat, um uns viele Plätze zu zeigen und uns mit anderen Leuten bekannt zu machen. Er hat immer ein offenes Ohr für uns und ist auch generell ein äußerst angenehmer Gesprächspartner. Abgesehen davon ist er wohl die einzige Person im Human- Wave- Team, die einigermaßen einen Überblick über sämtliche Aktivitäten und Vorgänge in der Organisation hat, welche zurzeit ca. 60 Mitarbeiter beschäftigt. Mit seiner freundlichen und lustigen Art habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht.

Dann wäre da Ratna, Tapas’ Frau und Chefin des Hauses. Ihre Englischkenntnisse ermöglichen zwar nicht viel mehr als Smalltalk, durch ihre herzliche Art bringt sie uns aber immer wieder zum Lachen und man hat viel Spaß mit ihr. Sie wäre auch für eine potentielle Gewichtszunahme meinerseits verantwortlich, da sie durch ihre Kochkünste und ihren Eifer, uns auch ja immer genug Essen zu geben, dafür sorgt, dass mein Bauch selten nicht übervoll mit Reis, Chapati, Parathi, Gemüse- oder Hähnchencurry und anderen Leckereien ist.





Mimi, die zweiundzwanzigjährige Tochter der Familie, studiert Soziologie in Kolkata und verbringt wahrscheinlich die meiste Zeit mit uns (besonders mit Kiera). Sie hat einen drolligen kleinen Bruder Tunka (9), der einen für sein Alter beeindruckenden schwarzen Humor hat (vor allem im Bezug auf Kiera haha) und mit dem man auch gerne mal ein bisschen rumalbern kann.

Über Kiera, meine Mitstreiterin, muss ich wohl keine weiteren Worte verlieren, da sie selbst ein Blog schreibt.

kiera-in-indien.blogspot.com/

In zwei Wochen gibt es den nächsten Einblick in mein Leben hier in Mankundu, Hooghly, West Bengal, INDIA, 30km nördlich vom „Monster“ Kolkata, also seid gespannt!

Schönen Gruß,

Richard

Dienstag, 19. Oktober 2010

time to celebrate




















Nach einer weiteren soliden Arbeitswoche mit einer kleinen krankheitsbedingten Unterbrechung kam am letzten Mittwoch nun endlich, wovon uns so lange vorgeschwaermt wurde. Das sagenumwobene Festival Durga Puja sollte bis Sonntag wohl so ziemlich ganz Westbengalen auf den Beinen halten, fuer ungeheure Lautstaerkepegel in den Strassen sorgen und (ganz nebenbei) dem Sieg der Goettermutter Durga ueber diverse boese Daemonen huldigen.

Konkret sieht das jaehrlich wiederkehrende Spektakel folgendermassen aus: die ersten vier Tage lang pilgern alle Leute zu sogenannten Pandals, recht grossen (bis zu ca. 15m hoch), aus beliebigen Materialien zusammengeschusterten Huetten/ Zelten. In denen findet man ein immer wieder aehnliches Goetzenszenario, naemlich das des Sieges Durgas, die fuer ihren glorreichen Triumph die Kraft und Macht anderer Goetter (u.a. Ganesh) zur Verfuegung gestellt bekommt. So stroemen also froehliche Menschenmassen durch die Strassen in und um Kolkata. Bis schliesslich der fuenfte und abschliessende Tag anbricht, an dem die teilweise wirklich aufwenig und detailverliebt aufgemachten Statuen erst auf Lastwagen gehieft, von lauter Musik und feiernder Menschenmeute begleitet, zum Hooghly transportiert werden, wo eine Handvoll starker Burschen sie unter tosendem Jubel in den Fluss schmeissen.
Dazu habe ich noch ein paar Bilder rausgesucht, die das Ganze vielleicht noch etwas greifbarer und anschaulicher machen (zum Vergroessern klicken):


























































































































































Abtransport zum Hooghly


Mankundu Trommeltruppe


Abladen vom LKW


Versenkt!


Ich habe mir vorgenommen, diesen zweiwoechigen Rhythmus beizubehalten, was die Veroeffentlichung von Posts angeht. Also bleibt gespannt auf weitere Eindruecke, Berichte und Geschichten aus Mankundu, Hooghly, West Bengal, India!


Schoenen Gruss,
Richard

Montag, 4. Oktober 2010

To begin at the beginning
















Mankundu, Hooghly, West Bengal, India



Wo fängt man an nach zwei ereignisreichen Wochen LTV?

Um einen einigermaßen klaren Überblick herzustellen, will ich erst einmal chronologisch vorgehen.

Am 20. September hoben Kiera und ich gegen 15:45 Uhr mit etwas Verspätung gen Südosten ab. Und war ich auch anfangs begeistert von der Vielfalt des Multimediaangebots unserer Emirates-Maschine (Multiplayer-PingPong und andere Möglichkeiten des kurzweiligen Zeitvertreibs), so sollte sich der Flug mit einer Dauer von zwölf Stunden (inklusive eines nicht wirklich interessanten zweistündigen nächtlichen Aufenthalts in Dubai) im Nachhinein doch in meinen Knochen bemerkbar machen.

Ohne Komplikationen und mit rund 40 Kilo Gepäck ging es acht Uhr morgens raus aus dem Flughafengebäude. Joanna, die letzte verbliebene Freiwillige des letzten Jahrgangs, holte uns ab und gemeinsam mit ihr ging’s nach Mankundu, unserem jetzigen Wohnort, rund 50 Kilometer oder eine Zugstunde entfernt von Kalkutta.

In total übermüdetem Zustand wurden wir von der Familie unseres zukünftigen Arbeitgebers (Tapas) willkommengeheißen und eine gute Tasse Chai ließ auch nicht lange auf sich warten, was meine Aufnahmefähigkeit aber auch nicht unbedingt stärkte.

Von Joanna gab es Input, Input, noch mal Input und Anekdoten bezüglich der Arbeit, des Lebens, der sozialen Verhältnisse, der vergangenen Ereignisse und vieler anderen Dinge, was bis zu ihrer Abreise am 26. September ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit erforderte, aber sicherlich hilfreich ist/ war/ sein wird.

Gleich noch am ersten Tag auf indischem Boden gab es dann am Nachmittag eine Mischung aus Feierlichkeit anlässlich des „International Peace Day“ und einer Willkommenszeremonie mit dem „Human Wave“-Team, was uns einen schönen Blumenstrauß, verschiedene Gesangsdarbietungen und mir persönlich eine erste spontane Rede einbrachte. Kurz zur Erklärung: „Human Wave“ ist unsere Partnerorganisation, der ich später noch einmal einen eigenen Eintrag widmen werde.

Um mich einmal aufs Wesentliche zu konzentrieren (ich hätte eher mit dem Schreiben anfangen sollen): die erste Woche bestand aus einem ersten Projektbesuch, einem ersten Ausflug nach Kalkutta, viel Zeit mit Joanna und der Familie. Und viel Schweiß.

35 Grad kombiniert mit gefühlten 283% Luftfeuchtigkeit lassen den Alltag zum Leistungssport werden.

Soweit zur ersten oder auch „Joanna“-Woche.

Nachdem wir Joanna am frühen Freitagmorgen am Flughafen ablieferten und das Wochenende in erster Linie zur Erholung nutzten, begann dann am Montag, dem 27. September unsere eigentliche Arbeit.

Da sich aus den ersten Tagen schon ein gewisser Regelablauf ergeben hat, will ich diesen einmal kurz zusammenfassen.

Um 6:30 Uhr, im meinem Empfinden nach frühesten Morgengrauen, haben wir in Lalkuthi, einem Slumgebiet am Bahnhof von Mankundu, auf der Matte zu stehen, um die Kinder (3-12 Jahre alt) mithilfe einer von unseren Vorgängern eingeführten Glocke und lauten „school time!“-Rufen zusammenzutrommeln, sodass wir gegen sieben Uhr nach Handwäsche und Zahnputzprogramm mit der „morning exercise“ beginnen können. Darunter kann man sich grundsätzlich eine Art zehnminütiges Morgensportprogramm vorstellen, was allen Spaß und besonders mich munter macht. Dreiviertel sechs aufzustehen ist in meinen Augen nicht der leichteste Teil unserer Arbeit und daran muss ich mich wirklich erst noch gewöhnen müssen. Mein der Uhrzeit geschuldeter, noch eher in geringen Maßen auftretender Enthusiasmus wird aber sicher noch verstärkter auftretenden, zur Not tritt Kiera mir halt das ein oder andere Mal in den Hintern (erstes Konfliktpotential bahnt sich an!).

Gegen 7:30 Uhr beginnt dann das eigentliche Schulprogramm, wobei die Kinder entsprechend ihres Alters bzw. Lernstandes in vier verschiedene Klassen eingeteilt werden.

Nachdem der Unterricht gegen 9:30 Uhr endet, fahren wir mit dem Fahrrad zurück zum „Human Wave“-Büro und Heim der Familie unseres Projektleiters Tapas, um uns ein wohlverdientes Frühstück zu genehmigen, womit der erste Teil unserer Arbeit zum Ende kommt.

Für die ersten beiden Tage übernahmen Kiera und ich die Leitung des Unterrichts für die Ältesten, wobei uns Prasanta, einer der lokalen Lehrer als Übersetzer (die Englischkenntnisse der Kinder lassen sich als wohl eher rudimentär bezeichnen) zur Seite stand.

Danach unterrichteten wir auch einmal andere Klassen und fangen langsam an, mit den Verhältnissen vertrauter zu werden.

Tatsächlich gibt es noch ein ganz ähnliches Projekt namens Adarshanagore, welches schon etwas länger läuft und deswegen sozusagen fortgeschrittener ist, zumindest hinsichtlich der Bedingungen. Es gibt Stühle, Bänke und hurra, Ventilatoren. Tapas eröffnete uns am Freitag während eines ersten Projektbesuchs, dass wir in beide Projekte aufgeteilt werden sollen. Wir haben uns dazu entschieden, abwechselnd in beiden Projekten zu arbeiten, einen geeigneten Rhythmus werden wir noch finden müssen.

Das soll es nun erstmal gewesen sein, vorwiegend aus zwei Gründen. Erstens finde ich selbst, dass lange Berichte vielleicht doch eben aufgrund ihrer Länge an Attraktivität verlieren, was schade um den doch recht interessanten Inhalt sein kann. Und zweitens, weil ich auch zu späteren Zeitpunkten noch Interessantes zu erzählen haben will.

Deswegen will ich ein paar Themen (Die Familie, Human Wave, COLCATA) vorerst zurückhalten, werde aber darauf noch ausführlich zu sprechen kommen, an Erzählbedarf mangelt es jedenfalls nicht.

Schönen Gruß,

Richard