Aufgrund des glücklichen Umstands, dass der Direktor meiner Partnerorganisation Human Wave hier in Mankundu (Westbengalen, Indien), Tapas Sur, gleichzeitig auch aktiv im indischen Zweig des SCI mitwirkt, bekamen Kiera und ich die Gelegenheit, Mitte Dezember nach Sri Lanka zu reisen. Nicht etwa, um auf dieser wunderschönen Insel von etwa der Größe Bayerns Entspannung vom mal mehr, mal weniger stressigen Alltag in unserem Projekt zu finden oder unserem SCI- LTV- Genossen Johannes einen Besuch abzustatten, sondern um an einem internationalen Workshop teilzunehmen. Der SCI Sri Lanka hatte anlässlich seines 50. Geburtstags geladen, um sich eine Woche lang intensiver mit Ursachen, (Hinter-) Gründen und Folgen des bewaffneten Konflikts zwischen LTTE (Liberation Tigers Tamil Eelam) und Regierung auseinanderzusetzen. TeilnehmerInnen aus Indien, Malaysia, verschiedenen Teilen Sri Lankas und wir diskutierten vom 12. bis 18. Dezember die Auswirkungen eines Konfliktes, der ein Land in viele Lager gespalten hat, und potentielle SCI- Einsatzfelder, nachdem die Gewalt letztendlich doch ein Ende gefunden zu haben scheint.
Da ich in diesem Bericht nicht noch einmal explizit auf die Geschichte des Konfliktes selbst eingehen werde, will ich zum Beispiel auf die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung verweisen, um das Wissen bezüglich der jüngsten Geschichte Sri Lankas etwas aufzufrischen bzw. zu erweitern. Es gibt aber auch tausende andere Quellen zum Thema, also bei Interesse am besten einfach drauflos googlen, es lässt sich einiges finden.
Bevor das eigentliche Seminar losging, gab es eine größere SCI- Geburtstagsfeier in Kandy, um sowohl den 50. des nationalen Zweigs, als auch den 90. Jahrestag des SCIs an sich zu zelebrieren. In seiner Aufmachung erinnerte diese Veranstaltung zwar eher an eine internationale Geschäftskonferenz, doch leckeres Essen und einige nette Redebeiträge machten die der Feier anhaftende Förmlich- und Steifigkeit doch recht erträglich.
Der Workshop selbst bestand dann aus Einheiten zu verschiedenen Themen wie etwa „Human Rights and women’s role in peace making“, „geopolitical constraints and enablers in reconciliation of conflicts in modern world“ oder „language issue in reconciliation process“, somit ergab sich der konkrete Bezug zum Sri Lankanischen Konflikt nicht immer von selbst, sondern musste oft erst hergestellt werden. Mehrere Professoren der Universität Peradeniya gaben einleitende Vorträge, auf denen die Diskussionen innerhalb der Gruppe dann aufbauten. Schnell wurde ersichtlich, dass es auch auf Seiten der Friedensaktivisten und Akademiker keinen Konsens hinsichtlich der Schuldfrage oder anderen kontroversen Punkten gibt. So beharrte Prof. Hennayake beispielsweise vehement darauf, dem Konflikt keine ethnische Dimension einzuräumen, sondern ihn einzig als politisches Machtspiel zwischen mächtigen Parteien (Regierung und LTTE) zu sehen, welche die Bürger des Landes für ihre Zwecke instrumentalisierten. Diese, in den Augen vieler ausgesprochen reduzierte Sicht sorgte dann auch für einigen Unmut unter den Teilnehmern des Workshops, heizte aber auf der anderen Seite auch die Debatten an, was ich persönlich als ausgesprochen angenehm empfand.
Außerdem sahen wir uns den Film „Hotel Rwanda“ an, um auch einmal Vergleiche zu anderen Konflikten mit ethnischen Hintergründen zu ziehen und aber auch Unterschiede zu erkennen.
Abschließend stand ein Besuch zweitägiger Besuch der Region Mutur im Osten des Landes an, in der die LTTE eine ihrer Machtbasen hatte und die dementsprechend stark unter den Auswirkungen des bewaffneten Kampfes zu leiden hat(te). Im Gespräch mit Dorfbewohnern wurde mir noch einmal besonders klar, dass man von generalisierenden Einordnungen des Konfliktes ablassen sollte. Die Wahrnehmung der Ereignisse unterscheidet sich teilweise so gravierend, dass eine kompakte Einschätzung der Situation in meinen Augen unmöglich wird, zumindest ausgehend von den mir zugänglichen Informationen. Beispielsweise berichteten tamilische und muslimische Einwohner des Dorfes von friedlichem und harmonischem Zusammenleben über Jahrzehnte, auch während der Kämpfe, und machten eher die Schwarzweißsicht der Regierung und der LTTE für die Gewaltexzesse verantwortlich, während Professor Nandakumar sehr einleuchtend die Sprachproblematik im Land und diskriminierende Akte gegen tamilische Bevölkerungsteile herausstellte.
Gespräch mit den Köpfen einer Dorfgemeinde in Mutur
Mal ganz abgesehen von den „fachlichen“ Problemen, die sich aus Vorträgen und Gesprächen ergaben, will ich aber auch einmal zu Protokoll geben, dass unter den WorkshopteilnehmerInnen ein wunderbar freundliches Klima herrschte und ich viele nette Bekanntschaften machen durfte, auch wenn ich selbst am letzten Tag noch nicht alle Namen auswendig konnte.
Um einen ausgewogenen Eindruck des Workshops zu vermitteln, soll am Ende nun auch noch etwas Kritik erscheinen. Leider hemmten Sprachbarrieren die Intensität der Diskussionen teilweise recht erheblich, was die tolle Erfahrung in meinen Augen aber trotzdem nicht abmilderte. Ich fand es unglaublich interessant, einmal zu sehen, wie ein SCI- Seminar außerhalb Deutschlands aussehen kann und zu erkennen, dass es teils wirklich große Unterschiede in der Umsetzung eines solchen Events auch innerhalb von SCI- Kreisen gibt. Alles lief ein ganzes Stück autoritärer ab, was natürlich legitim ist. Nur hatte ich den Eindruck, dass viele der jungen TeilnehmerInnen sich manchmal etwas schwer taten, ihre Ansichten im Rahmen der Gruppendiskussionen zu teilen, obwohl diese sich dann in persönlichen Gesprächen als wirklich interessante und wichtige Beiträge entpuppten. Auf der anderen Seite blieben die Beiträge der älteren SCI- Delegierten oft unkritisiert stehen und auch abseits der offiziellen Einheiten hatte ich den Eindruck, dass die „Alten“ lieber unter sich blieben, was ich etwas schade fand. Diese andere Form von Diskussionskultur muss man natürlich auch abstrahiert als Produkt kultureller Normen und sozialer Strukturen sehen, dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Trotzdem war das für mich persönlich manchmal etwas eigenartig, gleichzeitig aber auch interessant zu sehen, dass in vielen Teilen der Welt im Vergleich zu bestimmten Kreisen in Westeuropa, oder was man auch immer als Referenz heranziehen will, eher patriarchalische Strukturen herrschen, ist ja auch kein Geheimnis. Meiner Meinung nach macht es aber einen sehr großen Unterschied, ob man sich nur distanziert gedanklich damit beschäftigt oder wirklich „drinsteckt“, d.h. es als Lebenswirklichkeit wahrnimmt und die Akteure als in Interaktion mit einem selbst stehenden Subjekte erkennt. Dann nämlich, finde ich, verliert man einen möglicherweise immerzu (ab-) wertenden Blick auf manche Eigenarten einer „fremden“ Kultur.
Aber nun auch wieder zurück zum eigentlichen Thema.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir der Workshop sehr gut gefallen hat, vor allen Dingen hinsichtlich der Organisation, da lief es in meinem Workcamp im Sommer 2010 doch oft etwas chaotischer ab. Vielleicht weiß ich jetzt auch mehr über den Konflikt in Sri Lanka; in erster Linie aber bin ich mir darüber bewusst geworden, dass man sich davor hüten sollte, zu feste Meinungen bezüglich so komplexer Themen wie ethnischer Konflikte anzunehmen, wenn man gerade einmal zwei, drei gegensätzliche Darstellungen dazu gelesen haben sollte. Denn so ging es mir und jetzt wäre ich deutlich vorsichtiger in meinem Urteil über das Vorgefallene in Sri Lanka und mögliche Lösungsansätze. Als ein Produkt des Workshops kann ich am Ende aber festhalten, dass man sich eben aufgrund der Komplexität des Themas lieber auf lokaler Ebene („grass root level“) engagieren sollte und mögliche Workcamps in den vom Konflikt besonders betroffenen Regionen zum Wiederaufbau und zur Unterstützung gemeinsamer Initiativen zwischen Singhalesen und Tamilen hören sich doch auch nach etwas an!
Bilder gibt's unter:
http://picasaweb.google.com/placement.scisl/WorkshopChallengesOfPeacemaking#
Grüße aus Mankundu, Hooghly, West Bengal, India,
Richard
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